Effizienzprüfung bei öffentlichen Unternehmen: Befunde und Empfehlungen

Eine Untersuchung in Der Aufsichtsrat von Prof. Dr. Ulf Papenfuß, Mitglied des wissenschaftlichen Beirats, und ECBE-Gesellschafter Prof. Dr. Michael Wolff

Effizienzprüfung bei öffentlichen Unternehmen: Befunde und Empfehlungen

Selbstevaluierungen von Aufsichtsratsbesetzungen und -prozessen im Rahmen einer Effizienzprüfung sollten ein Standardinstrument professioneller Gremienarbeit sein. Eine Untersuchung der Universitäten Göttingen und Leipzig analysiert, inwieweit sich dieses Instrument vor dem Hintergrund zahlreicher Diskussionen über die Qualität der Gremienarbeit bei öffentlichen Unternehmen verbreitet hat und wie es aktuell bei diesen Unternehmen prozessual und inhaltlich umgesetzt ist.

I. Einleitung

Diskussionen über die Folgen defizitärer Aufsichtsratsarbeit wie im Fall des Berliner Flughafens haben zu vermehrten Forderungen nach einer stärkeren Professionalisierung der Gremienarbeit bei öffentlichen Unternehmen geführt. Ein klassisches Instrument professioneller Aufsichtsratsarbeit ist eine Effizienzprüfung zur systematischen Evaluierung struktureller und prozessualer Aspekte der Gremienarbeit sowohl auf Ebene des Gesamtgremiums als auch möglicher Ausschüsse. Bei öffentlichen Unternehmen verspricht das Instrument mit Blick auf die typische Zusammensetzung von Aufsichtsräten mit demokratisch legitimierten Akteuren/ Mandatsträgern und weiteren Berufsgruppen, ein besonders erforderlicher und chancenreicher Ansatz zu sein.

Während Effizienzprüfungen bei den größeren börsengelisteten Gesellschaften bereits zum Standardwerkzeug guter Aufsichtsräte gehören, ist wenig bekannt über deren Verbreitung bei öffentlichen Unternehmen. Eine Studie des Lehrstuhls für Management & Controlling (Universität Göttingen) und des Lehrstuhls für Public Management (Universität Leipzig) untersucht erstmalig die Verbreitung und Umsetzung der Effizienzprüfung bei öffentlichen Unternehmen. Insgesamt wurden 372 öffentliche Unternehmen angeschrieben, wobei sich 270 Aufsichtsratsmitglieder an der Befragung beteiligten. Somit kann im Folgenden ein aktueller Überblick gegeben werden.

II. Verbreitung und Umsetzung der Effizienzprüfung

Die zentrale Erkenntnis vorab: Im Gegensatz zu den börsengelisteten Gesellschaften führen öffentliche Unternehmen generell nur selten eine Effizienzprüfung durch. Nur 20% der befragten Unternehmen sehen regelmäßig eine solche Prüfung vor (vgl. Abb. 1). Die Hälfte dieser Unternehmen führt diese Effizienzprüfung jährlich durch; 36% dieser Unternehmen alle zwei Jahre. Die folgenden Angaben beziehen sich auf diese Grundgesamtheit. Auch wenn die Faktoren, die die Durchführung von Effizienzprüfungen  beeinflussen, naturgemäß vielfältig sind, zeigt die Studie ein typisches Muster: Ähnlich zu privatwirtschaftlichen Unternehmen spielt die Unternehmensgröße eine entscheidende Rolle.

Angesichts der wirtschaftlichen Bedeutung größerer Unternehmen stehen diese tendenziell stärker im Fokus und die Gremien streben durchschnittlich in einem größeren Ausmaß eine stärkere Professionalisierung ihrer Arbeit an. Weiterer wesentlicher Einflussfaktor ist die Verankerung des Themas im jeweils geltenden Public Corporate Governance Kodex (PCGK). Bei 72% der Unternehmen, die eine Effizienzprüfung vornehmen, findet sich eine entsprechende Empfehlung im jeweils einschlägigen PCGK. Zwei weitere wichtige Faktoren sind das Aktivitätsniveau des Beteiligungsmanagements und die Offenheit des jeweiligen Vorsitzenden des Aufsichtsrats, das Instrument der Effizienzprüfung zu nutzen. Die konkrete Umsetzung der Effizienzprüfung erfolgt bei den meisten Unternehmen mittels einer offenen Diskussion im Gremium (84%) und/ oder mittels eines Fragebogens (79%).

III. Inhalte der Effizienzprüfung

Im Rahmen der Effizienzprüfungen steht die Arbeit des gesamten Aufsichtsratsgremiums im Fokus. So geben 93% der befragten Aufsichtsratsmitglieder an, dass die Arbeit des Gesamtgremiums eine hohe Bedeutung bei den bisher durchgeführten Effizienzprüfungen hatte. Demgegenüber wird nur bei knapp der Hälfte der Effizienzprüfungen (54%) die Arbeit einzelner Ausschüsse bzw. bei 32% die Arbeit einzelner Aufsichtsratsmitglieder beleuchtet.

Thematisch liegt der Schwerpunkt in den meisten Unternehmen nach der allgemeinen Wahrnehmung der Kontrollfunktion auf Fragen der Informationsversorgung. Von den fünf am intensivsten behandelten Themen stehen drei im direkten Bezug zur Informationsversorgung (vgl. Abb. 2). Bei 85% der durchgeführten Effizienzprüfungen wurde beispielsweise die Informationsversorgung durch das Top-Managementorgan oder bei 73% der Prüfungen durch den Aufsichtsratsvorsitzenden intensiv evaluiert.

Aspekte der Gremienarbeit, die in den durchgeführten Gremienevaluierungen häufig vollständig vernachlässigt
werden, sind vor allem die Prozesse zur Auswahl von Aufsichtsräten und die Prüfung der Angemessenheit der Vergütung des Top-Managements (vgl. Abb. 3). So spielte der Auswahlprozess bei 78% der durchgeführten Effizienzprüfungen keine Rolle bzw. 63% im Fall der Angemessenheitsprüfungen. Überraschend ist auch, dass die Diversity im Aufsichtsrat trotz der hohen Bedeutung dieses Themas in den letzten Jahren bei mehr als der Hälfte der Effizienzprüfungen keine Rolle gespielt hat.

IV. Bewertung der Effizienzprüfung als Aufsichtsratsinstrument

Angesichts der aktuell geringen Verbreitung der Effizienzprüfung bei öffentlichen Unternehmen wäre zu erwarten, dass die einzelnen Gremienmitglieder diesem Instrument kritisch gegenüberstehen. Jedoch sind über 90% der befragten Aufsichtsräte davon überzeugt, dass eine Effizienzprüfung grundsätzlich helfen kann, die Gremienarbeit zu verbessern (vgl. Abb. 4).

Eine analoge, grundsätzlich positive Einschätzung ist auch in der hohen Zustimmung (82%) zu der Aussage zu erkennen, die Durchführung einer Effizienzprüfung im PCGK zu empfehlen. Die grundsätzlich positive Wahrnehmung der Aufsichtsratsmitglieder differenziert sich, sofern man sie nach dem Kosten-Nutzen-Verhältnis bei bereits durchgeführten Effizienzprüfungen befragt. Dies wird von den Aufsichtsräten sehr kritisch gesehen. Konkret bleiben die Effizienzprüfungen aus Sicht der Hälfte der Aufsichtsräte (52%) ohne Wirkung, da keine konkreten Handlungsempfehlungen abgeleitet werden (vgl. Abb. 4). Somit kann der vermeintliche Widerspruch zwischen geringer konkreter Verbreitung und grundsätzlich hoher Akzeptanz aufgelöst werden: Die Effizienzprüfung wird zwar grundsätzlich als ein sinnvolles Aufsichtsratsinstrument wahrgenommen, aber die aktuelle Umsetzungspraxis bei den befragten Unternehmen scheint nicht zufriedenstellend für die Gremienmitglieder zu sein.

Neben unternehmensspezifischen Gründen für die niedrige Zufriedenheit zeigt die Studie generelle Kritikpunkte entlang dreier Dimensionen auf: inhaltliche Ausgestaltung, Prozess und Ergebnisnutzung der Effizienzprüfung. Hinsichtlich der inhaltlichen Ausgestaltung ergibt sich regelmäßig das Problem, dass Ansätze aus der Privatwirtschaft zu pauschal übernommen und nicht auf den spezifischen Kontext öffentlicher Unternehmen und ihrer Gremien (z.B. im Rahmen der Fragebogengestaltung) angepasst werden. Darüber hinaus liegt der Fokus von Effizienzprüfungen häufig einzig auf den formalen Aspekten der Gremienarbeit (z.B. Existenz einer Geschäftsordnung). Wichtige Aspekte der Aufsichtsratsarbeit, wie die Arbeitsund Diskussionskultur oder die inhaltliche Auseinandersetzung mit wesentlichen Themen der Aufsichtsratsarbeit, werden häufig vollständig ausgeblendet oder nur rudimentär adressiert. In manchen Unternehmen kommt es sogar noch zu dem stark zu kritisierenden Phänomen, dass einfach – ohne beispielsweise systematische Nutzung eines Fragebogens oder anderer Instrumente – über die eigene Effizienz ohne weitere Aussprache abgestimmt wird.

Der eigentliche Prozess der Effizienzprüfung wird von zahlreichen Aufsichtsräten oder den vorbereitenden Bereichen (z.B. das zentrale Beteiligungsmanagement) aufgrund des administrativen Aufwands (z.B. Versand von Fragebögen) und der teilweise hohen Kosten für externe Berater kritisch gesehen. Diesbezüglich wird insbesondere die Rolle von Wirtschaftsprüfern thematisiert: 73% der befragten Aufsichtsräte fordern, dass die Effizienzprüfung unabhängig von dem jeweiligen für die Prüfung des Jahresabschlusses verantwortlichen Wirtschaftsprüfer durchgeführt wird.

Die Aufbereitung und Nutzung der Ergebnisse der Effizienzprüfung werden von zahlreichen Gremienmitgliedern als defizitär bewertet, da zunächst häufig keine ausreichende Auseinandersetzung in zeitlicher und inhaltlicher Hinsicht erfolgt. In manchen Fällen dauerte die Ergebnisdiskussion nur wenige Minuten. In anderen Fällen werden die Ergebnisse „wäschelistenartig“ vorgestellt und diskutiert, das heißt, eine sinnvolle Priorisierung möglicher Themenfelder wird nicht vorgenommen. Konkrete Handlungsempfehlungen werden häufig nicht abgeleitet. Vor diesem Hintergrund ist es nicht verwunderlich, dass aus Sicht vieler Aufsichtsräte die Effizienzprüfungen häufig ohne Wirkung bleiben.

V. Implikationen

Zur Vermeidung der aktuellen Umsetzungsdefizite bei der Effizienzprüfung sollten die Gremien „im Regelfall“ einige grundlegende Rahmenbedingungen beachten:

  1. Der Fokus der Effizienzprüfung sollte auf der Arbeit des Gesamtgremiums (ggf. ergänzt um Aspekte der Ausschussarbeit) liegen, das heißt, es sollte keine individuelle Bewertung von Gremienmitgliedern erfolgen. Eine solche individuelle Bewertung ist nicht nur inhaltlich und operativ schwer umsetzbar, sondern führt im Regelfall auch zu offenen oder verdeckten Konflikten. Dies führt zu einer Verschlechterung des Arbeitsklimas im Gremium und kaum zu strukturellen oder prozessualen Verbesserungen der Gremienarbeit.

  2. Die Effizienzprüfung sollte auf Basis eines Fragebogens durchgeführt werden (ggf. ergänzt um Interviews). Dadurch wird (normalerweise) die Beteiligung aller Gremienmitglieder sichergestellt. Zusätzlich ermöglicht die dabei typischerweise anonymisierte Durchführung eine offenere Bewertung der aktuellen Situation der Gremienarbeit durch die einzelnen Aufsichtsräte. Zudem ist der Ansatz deutlich kostengünstiger.

  3. Der für die Effizienzprüfung genutzte Fragebogen sollte nicht nur den Kontext öffentlicher Unternehmen ausreichend abbilden (z.B. Gemeindeordnung), sondern möglichst für das jeweilige Unternehmen individualisiert werden.

  4. Die Administration und Durchführung der Effizienzprüfung sollte die digitalen Möglichkeiten nutzen und online-basiert stattfinden. Auch wenn einzelne Gremienmitglieder noch nicht vollständig „online-affin“ sind, so kann dies neben einer Verbesserung der Analyseergebnisse die Kosten für die Vorbereitung, Durchführung und Auswertung der Effizienzprüfung substanziell senken. Außerdem zeigt die Praxis, dass etwa die elektronische Beantwortung eines Fragebogens subjektiv als deutlich weniger aufwendig wahrgenommen wird.

  5. Die Ergebnisse der Effizienzprüfung sollten nicht nur beschreibend erläutert werden, sondern es sollten konkrete Handlungsimplikationen zur Verbesserung der Gremienarbeit abgeleitet werden (z.B. zur Verbesserung der Informationsversorgung). Die Umsetzung der definierten Implikationen sollte durch die Gremien systematisch überprüft werden.

Natürlich entscheiden auch noch andere Faktoren über den Erfolg von Effizienzprüfungen. Aber die Praxis zeigt, dass die Wahrscheinlichkeit für zufriedenere Aufsichtsräte bei der Beachtung der genannten Punkte deutlich steigt. Es wäre wünschenswert, dass mehr Aufsichtsgremien öffentlicher Unternehmen die Effizienzprüfung nicht nur als notwendiges Übel ansehen, sondern als eine Chance zur Verbesserung der Gremienarbeit. Somit könnte möglichen Fehlentwicklungen in den Gremien schneller entgegengewirkt werden. Allerdings sollten die für die Durchführung Verantwortlichen darauf achten, keinen Ansatz zu wählen, der nur das Abhaken regulativer Anforderungen vorsieht und dabei dann noch sowohl für die beteiligten Gremienmitglieder als auch für die operativen Ansprechpartner mit hohem administrativen Aufwand verbunden ist. Wenn dies gegeben ist, ist eine Effizienzprüfung ein elementares Instrument der Aufsichtsratsarbeit gerade auch im spezifischen Kontext öffentlicher Unternehmen, das die Professionalisierung der Gremienarbeit unterstützt.